ALMA enthüllt die Geheimnisse eines riesigen Gasklumpens im Weltraum

 

 

This diagram explains how a Lyman-alpha Blob, one of the largest and brightest objects in the Universe, shines.
This diagram explains how a Lyman-alpha Blob, one of the largest and brightest objects in the Universe, shines.

Dieses Diagramm erklärt, wie ein Lyman-Alpha-Blob, eines der größten und hellsten Objekte im Universum, leuchtet.

Herkunftsnachweis:

ESO/J. Geach

Ein internationales Astronomenteam hat mit ALMA sowie dem Very Large Telescope der ESO und weiteren Teleskopen das Rätsel um die Beschaffenheit eines seltenen Objekts im fernen Universum gelöst, eines sogenannten Lyman-alpha-Blobs. Bislang war ungeklärt, warum diese riesigen Wolken aus Gas so hell leuchten, aber mit ALMA wurden nun zwei Galaxien im Zentrum eines dieser Objekte entdeckt, in denen die Sternentstehungsrate so hoch ist, dass die Umgebung zum Leuchten gebracht wird. Diese großen Galaxien wiederum befinden sich im Zentrum einer Ansammlung aus kleineren Galaxien, sodass es scheint, als handele es sich um eine frühe Phase in der Entstehung eines massereichen Galaxienhaufens. Es ist anzunehmen, dass sich diese zwei Galaxien in ferner Zukunft zu einer einzigen riesigen elliptischen Galaxie entwickeln.

Lyman-Alpha-Blobs (LABs; vom englischen blob für “Klecks” oder “Klumpen“) sind riesige Wolken aus Wasserstoffgas, die sich über Hunderttausende von Lichtjahren erstrecken können und in großen kosmischen Distanzen zu finden sind. Der Name spiegelt die charakteristische Wellenlänge des ultravioletten Lichts wider, das sie emittieren – Lyman-Alpha-Strahlung [1]. Seit ihrer Entdeckung stellen die Prozesse, durch die sich LABs bilden, für Astronomen ein Rätsel dar. Neue Beobachtungen mit ALMA könnten dieses Rätsel jetzt gelöst haben.

Eine der größten bekannten und am genauesten untersuchten Lyman-Alpha-Blobs ist SSA22-Lyman-Alpha-Blob 1, kurz auch LAB-1 genannt. Es war im Jahr 2000 das erste Objekt dieser Art, das entdeckt wurde. Eingebettet in einen riesigen Galaxienhaufen, der sich noch in der frühen Entstehungsphase befindet, ist es so weit entfernt, dass sein Licht etwa 11,5 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen.

Einem Astronomen-Team unter der Leitung von Jim Geach vom Centre for Astrophysics Research of the University of Hertfordshire in Großbritannien ist es nun gelungen, tief in LAB-1 hineinzuschauen. Möglich war das aufgrund der einmaligen Fähigkeit des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA), Licht aus kalten Staubwolken in weit entfernten Galaxien zu beobachten. Dank der Beobachtungen konnten die Forscher mehrere Emissions-Quellen im Submillimeter-Bereich genau lokalisieren und auflösen [2].

Die ALMA-Aufnahmen kombinierten sie dann mit Beobachtungen des Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE), der am Very Large Telescope (VLT) der ESO angebracht ist und mithilfe dessen das Lyman-Alpha-Licht kartiert wurde. Diese Beobachtungen zeigen, dass die von ALMA beobachteten Quellen genau im Herzen des Lyman-Alpha-Blobs liegen, wo die Sternentstehungsrate dem mehr als 100-fachen der Rate der Milchstraße entspricht.

Durch die sogenannte „Deep Imaging“-Methode konnte mit dem NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop und mit Spektrografen am W.-M.-Keck-Observatorium [3] zudem gezeigt werden, dass die Quellen von zahlreichen lichtschwachen Begleitgalaxien umgeben sind, die für ein beständiges Bombardement von Materie auf die zentralen Objekte sorgen, was zu hohen Sternentstehungsraten führt.

Das Team nutzte daraufhin eine ausgeklügelte Simulation zur Entstehung von Galaxien, um zu demonstrieren, dass die riesige leuchtende und Lyman-Alpha-Strahlung emittierende Wolke dadurch erklärt werden kann, dass ultraviolettes Licht, das durch Sternentstehung in den beobachteten Objekten entsteht, am umgebenden Wasserstoffgas gestreut wird. Dadurch würde ein Lyman-Alpha-Blob entstehen, so wie wir ihn sehen.

Jim Geach, der Erstautor der neuen Studie, erklärt: „Der Effekt ist vergleichbar mit Straßenlicht in einer nebligen Nacht — man sieht ein diffuses Leuchten, weil das Licht an den winzigen Wassertröpfchen gestreut wird. Etwas Ähnliches passiert hier, nur, dass das Straßenlicht eine Galaxie mit intensiver Sternentstehung und der Nebel eine riesige Wolke aus intergalaktischem Gas darstellt. Diese Galaxien bringen ihre Umgebung zum Leuchten.“

Für Astronomen ist es auch heute noch eine große Herausforderung zu verstehen, wie Galaxien sich bilden und entwickeln. Sie gehen davon aus, dass Lyman-Alpha Blobs dabei eine große Rolle spielen, da es sich bei diesen Objekten um Orte zu handeln scheint, an denen die massereichsten Galaxien im Universum entstehen. Insbesondere ihr großflächiges Leuchten liefert Information darüber, was in den primordialen Gaswolken passiert, die junge Galaxien umgeben, eine Region, die nur schwer erforscht werden kann, deren Verständnis aber entscheidend ist.

Jim Geach folgert: „Aufregend an diesen Blobs ist, dass wir einen flüchtigen Blick darauf werfen können, was um diese jungen und wachsenden Galaxien passiert. Der Ursprung des Lyman-Alpha-Lichts, das sich so weit erstreckt, war lange umstritten. Mit den kombinierten neuen Beobachtungen und innovativen Simulationen gehen wir davon aus, dass wir ein 15 Jahre altes Rätsel gelöst haben: Lyman-Alpha-Blob-1 ist ein Ort, an dem eine massereiche elliptische Galaxie entsteht, die eines Tages das Herz eines riesigen Galaxienhaufens bilden wird. Wir sehen eine Momentaufnahme dessen, wie die Galaxie vor 11,5 Milliarden Jahren ausgesehen hat.“

Endnoten
[1] Die negativ geladenen Elektronen, die den positiv geladenen Kern in einem Atom umkreisen, haben quantisierte Energielevel, sie können also nur in bestimmten Energiezuständen existieren. Ein Übergang ist nur möglich, wenn eine bestimme Menge an Energie gewonnen oder verloren wird. Lyman-Alpha-Strahlung entsteht, wenn Elektronen in Wasserstoffatomen vom zweitniedrigsten Energieniveau zum niedrigsten übergehen. Dabei wird eine bestimmte Energiemenge frei, die in Form von Licht mit einer spezifischen Wellenlänge im ultravioletten Teil des Spektrums ausgesendet wird, das Astronomen mit Weltraumteleskopen oder im Falle eines rotverschobenen Objektes auch auf der Erde nachweisen können. LAB-1 hat eine Rotverschiebung von z~3, sodass das Lyman-Alpha-Licht im sichtbaren Bereich beobachtet werden kann.

[2] Die Auflösung eines Geräts bezeichnet die Fähigkeit, zwei Objekte getrennt darstellen zu können. Bei niedriger Auflösung würden mehrere helle Lichtquellen bei großer Entfernung wie ein einziger leuchtender Punkt erscheinen, wohingegen sie nur auf kurzer Distanz unterscheidbar wären. Durch ALMAs hohe Auflösung konnten zwei einzelne Quellen aufgelöst werden, die vorher als einzelner verschwommener Punkt erschienen.

[3] Bei den verwendeten Instrumenten handelte es sich um den Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) am Hubble-Weltraumteleskop von NASA/ESA und den Multi-Object Spectrometer For Infra-Red Exploration (MOSFIRE), der am Keck-1-Teleskop auf Hawaii installiert ist.

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