Die verborgenen Schätze der Wolken Orions
So noch zwischendurch ein wenig Wissenschaft. Kommt ja viel zur kurz in der heißen Bauphase.
VISTA-Durchmusterung liefert detailreichste Aufnahme der Molekülwolke Orion A im Nahinfraroten
4. Januar 2017
Diese beeindruckende neue Aufnahme zeigt die Molekülwolke Orion A, die nächste uns bekannte Entstehungsregion massereicher Sterne, etwa 1350 Lichtjahre von der Erde entfernt. Hierbei handelt es sich um eines der größten Mosaike aus nahinfraroten hochauflösenden Einzelbildern, die mit dem VISTA-Durchmusterungsteleskop am Paranal-Observatorium der ESO im Norden Chiles aufgenommen wurden und viele jungen Sterne und andere Objekte zum Vorschein bringen, die normalerweise tief in den Staubwolken verborgen sind.
Das neue Nahinfrarot-Bild entstand im Rahmen der VISION-Durchmusterung (VIenna Survey in Orion) mit dem VISTA-Durchmusterungsteleskop am Paranal-Observatorium der ESO [1]. Das aus vielen Einzelaufnahmen zusammengesetzte Bild umfasst die gesamte Orion-A-Molekülwolke, eine der beiden riesigen Molekülwolken im Orion-Molekülwolkenkomplex. Orion A erstreckt sich über etwa acht Grad südlich des als Schwert bekannten Teils des Sternbilds Orion [2].
VISTA ist das weltweit größte Durchmusterungsteleskop und hat ein großes Gesichtsfeld, das mit sehr empfindlichen Infrarot-Detektoren abgebildet werden kann. Damit bietet es ideale Voraussetzungen für die Aufnahme tiefer und qualitativ hochwertiger Infrarot-Bilder, wie sie für diese ehrgeizige Durchmusterung vonnöten waren.
Auf der Grundlage der VISION-Durchmusterung ist ein Katalog entstanden, der fast 800.000 einzeln identifizierte Sterne, junge stellare Objekte und ferne Galaxien enthält. Damit stellt sie jede andere Durchmusterung in den Schatten, die je von dieser Region gemacht wurde [3].
VISTA kann in einem Teil des elektromagnetischen Spektrums beobachten, der für das menschliche Auge unsichtbar ist. Auf diese Weise können Astronomen Objekte identifizieren, die ansonsten verborgen geblieben wären. Sobald die Wolke bei längeren Wellenlängen im Infraroten beobachtet wird, kommen sehr junge Sterne zum Vorschein, die auf Bildern im sichtbaren Licht nicht zu sehen gewesen wären, da der Staub, der sie umgibt, im infraroten Wellenlängenbereich lichtdurchlässiger ist.
Für ein vollständiges Verständnis der Entstehungsprozesse von Sternen sowohl niedriger als auch hoher Masse in Orion A stellt diese Aufnahme einen wichtigen Schritt dar. Bei dem beeindruckenden und farbenprächtigen Objekt, das links im Bild erkennbar ist, handelt es sich um den Orionnebel, auch Messier 42 genannt [4]. Diese Region ist Teil des Schwertes des berühmten auffälligen Sternbilds Orion. Der VISTA-Katalog umfasst sowohl bekannte Objekte als auch Neuentdeckungen, unter ihnen fünf neue Kandidaten für junge stellare Objekte sowie zehn Kandidaten für Galaxienhaufen.
An einer anderen Stelle im Bild lässt sich ein Blick in die dunklen Molekülwolken von Orion A werfen, wo es viele verborgene Schätze zu entdecken gibt. Dazu zählen Materiescheiben, in denen neue Sterne entstehen können (prästellare Scheiben), kleine neblige Gebilde um junge Sterne (Herbig-Haro-Objekte), kleinere Sternhaufen und sogar Galaxienhaufen, die weit von der Milchstraße entfernt liegen. Die VISION-Durchmusterung ermöglicht es, die frühesten Entwicklungsphasen junger Sterne in benachbarten Molekülwolken systematisch zu untersuchen.
Diese beeindruckend detailreiche Aufnahme von Orion A stellt eine neue Beobachtungsgrundlage für weitere Untersuchungen der Stern- und Haufenentstehung dar und unterstreicht erneut die Leistungsfähigkeit des VISTA-Teleskops, große Himmelsabschnitte im nahinfraroten Teil des Spektrums schnell und in großer Tiefe abzubilden [5].
Endnoten
[1] Die VISION-Durchmusterung umfasst etwa 18,3 Quadratgrad auf einer Skala von etwa einem Drittel einer Bogensekunde pro Pixel.
[2] Die andere riesige Molekülwolke in der Orion-Molekülwolke ist Orion B, die östlich des Oriongürtels liegt.
[3] Die vollständige VISION-Durchmusterung enthält einen noch größeren Bereich als in diesem Bild gezeigt, der 39 578 x 23 069 Pixel umfasst.
[4] Der Orionnebel wurde zuerst im frühen 17. Jahrhundert beschrieben, wenngleich die Identität des Entdeckers unsicher ist. Der französische Kometenjäger Messier machte in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts eine genaue Skizze seiner Hauptmerkmale und gab ihm in seinem berühmten Katalog die Nummer 42. Er ordnete auch die Zahl 43 der kleineren separaten Region nördlich des Hauptteils des Nebels zu. Später spekulierte William Herschel, dass der Nebel „die chaotische Materie zukünftiger Sonnen“ sein könnte. Inzwischen haben Astronomen festgestellt, dass der Nebel tatsächlich Gas ist, das im intensiven ultravioletten Licht junger heißer Sternen leuchtet, die sich vor kurzem dort gebildet haben.
[5] Auf die erfolgreiche VISION-Durchmusterung von Orion wird eine neue und größere öffentliche Durchmusterung anderer Sternentstehungsregionen mit VISTA folgen, die den Namen VISIONS trägt und im April 2017 starten soll.